Friedensnobelpreis 1945: Cordell Hull

Friedensnobelpreis 1945: Cordell Hull
Friedensnobelpreis 1945: Cordell Hull
 
Der amerikanische Politiker erhielt den Friedensnobelpreis für seine Mitwirkung an der Gründung der Vereinten Nationen.
 
 
Cordell Hull, * Overton County (Tennessee) 2. 10. 1871, ✝ Bethesda (Maryland) 23. 7. 1955; 1893-97 Abgeordneter der Demokratischen Partei im Parlament von Tennessee, 1907-31 Mitglied des Repräsentantenhauses, 1931-33 Senator, 1933-44 US-Außenminister und enger Berater von Franklin Delano Roosevelt.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Zwischen 1939 und 1945 war die ganze Welt ein Schlachtfeld. Der Zweite Weltkrieg übertraf in seinen Ausmaßen alle militärischen Auseinandersetzungen, von denen die Menschheit bis dahin betroffen gewesen war. Schonungslos offenbarte er das Versagen jener Mittel, mit denen die Staatengemeinschaft versucht hatte, Krieg zu verhindern und Frieden zu sichern. Insbesondere bedeutete der globale Krieg das Versagen des Völkerbunds, den man nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs als friedenssicherndes Gremium gegründet hatte. So entstand noch während des Zweiten Weltkriegs die Idee einer neuen internationalen Organisation, die die Fehler des Völkerbunds vermeiden und wirksamere Instrumente zur Beilegung von Konflikten entwickeln sollte. Wirklichkeit wurde diese Idee mit der Gründung der United Nations Organisation (UNO) im Jahr 1945.
 
 Architekt der Vereinten Nationen
 
Als »Vater der Vereinten Nationen« gilt nach einem Ausspruch von Präsident Franklin Delano Roosevelt der amerikanische Politiker Cordell Hull. Auch wenn die wesentlichen Entscheidungen auf dem Weg zur Gründung der UNO von führenden Politikern wie Roosevelt, dem Russen Josef Stalin und dem Briten Winston Churchill getroffen wurden, so war Hull doch der eigentliche Architekt der neuen Organisation. Aus diesem Grund zeichnete ihn das Nobelpreiskomitee mit dem ersten Friedensnobelpreis nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs aus.
 
Hull hatte eine typische amerikanische Politikerkarriere durchlaufen. Der Sohn eines Farmers war zunächst als Rechtsanwalt tätig gewesen. Seine politische Laufbahn begann er als demokratischer Abgeordneter im Parlament von Tennessee und als Mitglied des Repräsentantenhauses. Danach wurde er Senator, und 1933 berief ihn Präsident Roosevelt zum Außenminister. Dieses Amt bekleidete Hull über einen ungewöhnlich langen Zeitraum, bis zum Jahr 1944.
 
Mit Roosevelts und Hulls Amtsantritt 1933 endete die Phase der internationalen Isolation, die sich die USA nach dem Ersten Weltkrieg selbst auferlegt hatten. Erste Schritte wurden mit einer Politik der Annäherung und des Ausgleichs in Südamerika unternommen. Hier arbeitete Hull für die Herstellung einer friedlichen Partnerschaft, die er durch den Abschluss von zahlreichen Handelsverträgen förderte. Im Gegensatz zu einem großen Teil der öffentlichen Meinung hielt es die neue US-Führung auch für einen Fehler, dass sich die Vereinigten Staaten nicht dem Völkerbund angeschlossen hatten. Amerikas Nichteinmischung in die europäischen Angelegenheiten, so glaubte Hull, hatte die Kriegsgefahr vergrößert und schließlich zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geführt. In diesen griff Roosevelt, mit Rücksicht auf seine innenpolitischen Gegner, zunächst nicht ein. Die Wende kam im Dezember 1941: Nach dem Angriff der Japaner auf den amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Harbor im Pazifik und der deutschen Kriegserklärung an die USA traten auch sie in den Krieg ein.
 
 Die Welt in einer Organisation
 
Bereits im Oktober 1943, mitten im Krieg, fanden erste Sondierungen für eine dauerhafte, friedliche Nachkriegsordnung statt. In Moskau traf Hull mit seinen Amtskollegen Anthony Eden (Großbritannien) und Wjatscheslaw Molotow (UdSSR) zusammen. Erstmals wurde hier die Gründung einer neuen internationalen Organisation ins Auge gefasst. Als sich im November 1943 Roosevelt, Stalin und Churchill in Teheran trafen, kam es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten. Stalin befürchtete eine Außenseiterrolle der UdSSR gegenüber den Westmächten und forderte daher die Aufnahme aller 16 Sowjetrepubliken sowie ein Vetorecht gegen die Beschlüsse der neuen Organisation. Unter der Leitung Hulls wurden neue Vorschläge ausgearbeitet, die auf einer Konferenz in Dumbarton Oaks bei Washington (1944), an der auch China und Vertreter weiterer Regierungen teilnahmen, diskutiert wurden. Man beschloss für die geplante Organisation die Einrichtung eines Sicherheitsrates als oberstes Gremium, dem neben den USA, der UdSSR, England und China auch Frankreich angehören sollte. Der von Hull ausgearbeiteten Charta der UNO mit den wichtigsten Leitlinien der künftigen internationalen Arbeit wurde grundsätzlich zugestimmt. Die Abstimmungsfrage und die Aufnahme der sowjetischen Teilrepubliken in die Generalversammlung blieben jedoch weiter ungeklärt. Den Durchbruch brachte die Konferenz von Jalta im Februar 1945. Hier wurden nicht nur die Weichen für die politische Gestaltung der Nachkriegswelt gestellt, sondern auch die noch strittigen Probleme bei der Gründung der Vereinten Nationen geklärt: Stalin setzte den Anspruch auf das Veto im Sicherheitsrat durch, dafür gab er sich mit der Aufnahme von nur drei Sowjetrepubliken in die neue Weltorganisation (neben Russland die Ukraine und Weißrussland) zufrieden. Die erste Sitzung der UNO wurde für den 25. April in San Francisco angesetzt.
 
 Hulls Lohn: der Frieden
 
Für Hull war das Ergebnis von Jalta ein großer persönlicher Triumph. Unermüdlich hatte er vor und hinter den Kulissen für die UNO geworben. Auch in den Vereinigten Staaten hatte er hartnäckig Überzeugungsarbeit geleistet. Bereits 1941 hatte er ein Komitee gegründet, das die Leitlinien einer neuen, den Völkerbund ablösenden Organisation entwickeln sollte. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner wurden von dem Komitee aufgefordert, nationale und parteipolitische Erwägungen hinter die große internationale Aufgabe zurückzustellen. So hatte Hull einen wichtigen Anteil an einem, auch von einer breiteren Öffentlichkeit getragenen außenpolitischen Kurswechsel der USA. Die Gründungsversammlung der UNO trat planmäßig am 25. April 1945 in San Francisco zusammen. 13 Tage zuvor war Präsident Roosevelt gestorben und vom bisherigen Vizepräsidenten Harry Truman abgelöst worden. Hull aber, im November 1944 als Außenminister zurückgetreten und inzwischen auch mit gesundheitlichen Problemen belastet, konnte die Krönung seiner Arbeit für den Frieden erleben. Am 26. Juni 1945 wurde die von ihm mitentwickelte Charta der Vereinten Nationen unterzeichnet. Im Gegensatz zur Urkunde des Völkerbunds stand diesmal auch die Unterschrift der USA unter dem Dokument. 50 weitere Staaten schlossen sich in San Francisco der Charta an. Heute hat die UNO weit über 100 Mitgliedstaaten. Der Völkerbund hingegen hatte es nie zu mehr als 60 Mitgliedern gebracht.
 
H. Sonnabend

Universal-Lexikon. 2012.

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